Was sagen sie dazu, Jay-Z?

Die weltpolitische Lage hatte schon stets instabile Momente. Kriegerische Auseinandersetzungen, wirtschaftliche Krisen, soziale Konflikte oder Umweltkatastrophen sind keine Neuheiten. Doch sie scheinen in der in diesem Moment allgegenwärtig und, was noch schlimmer ist, unlösbar. Wer hat den Marshall Plan für eine Befriedung des Nahen Ostens und Eindämmung des Terrors? Wie verhindern wir die nächste Finanzkrise und den Schwund der Mittelklasse? Wie begegnet eine Gesellschaft dem systemischen Rassismus und Sexismus? Was tun gegen den Klimawandel? Dazu kommt die Flut an Nachrichten die unseren Eindruck der Last an Problemen weiter verstärkt. Die Informationsmasse wird zudem weiter zunehmen. Doch was sich verändern kann ist die Qualität der Nachrichten. Und die liegt nicht nur bei den Medienhäusern und ihrer teilenden Community, sie liegt auch an den Informationsquellen. Und jetzt kommt eine gute Nachricht: Es gibt Lösungswege zu all den genannten Problemen. Nicht nur einen, sondern viele die es zu besprechen lohnt (aber bitte nicht alle auf einmal!). Wir hören diese leider viel seltener als es angebracht wäre. Denn wer sind heutzutage die Meinungsbilder, die Experten und die geladenen Gäste in Talkshows? Viele verschiedene Menschen. Doch ich möchte eine Gruppe aus dem Medienkanon ausschließen und zwar ausschließlich aufgrund ihrer Qualifikation: Prominente!

Prominente werden liebend gerne zu ihrer Meinung befragt. In den USA vornehmlich Sänger und Schauspieler. Bekannte Gesichter, die uns wahrscheinlich sympathisch sind, dürfen die Komplexität der Weltpolitik in markanten Worten umschreiben. Das kann mitreißend wirken, es kann den Fokus auf eine Problematik verstärken, es kann aber auch zu mehr Differenzen in der Bevölkerung führen.
Im Sommer 2015, als die sogenannte erste „Flüchtlingswelle“ als Folge des Syrien Krieges nach Europa kam fand eine solche Trennung der Bevölkerung statt. Anja Reschke forderte in ihrem Tagesthemen Kommentar einen Aufstand der Aufrichtigen gegen Rechte Hetze im Internet und die negative Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. Die Intention dieses Kommentares empfand ich richtig, doch die Umsetzung stelle sich als völlig fehlgeleitet heraus. Totales Kontra im Internet führt zu einer Anstachelung einer bereits unproduktiven Diskussion. Im selben Moment nehmen stark kommentierte Beiträge eine höhere Priorität in der Timeline an, was den Eindruck erweckt Hasskommentare seien allgegenwärtig. Somit wurden destruktive politische Diskussionen späürbarer als sie es vorher waren. Die beiden Lager (die es vorher nicht so stark akzentuiert gab) haben sich weiter voneinander entfernt, die Antipathie wurde angestachelt. In diesem sozialpolitisch aufgeladenen Sommer haben auch viele Prominente Stellungen bezogen. Ein Beispiel dazu waren die Moderatoren und Entertainer Joko und Klaas. Die beiden sagen zum Anfang des Clips interessanterweise, dass sie keine thematischen Qualifikationen vorzuweisen haben, aber durch die Masse ihres Publikums fühlten sie sich genötigt etwas gegen Internet Hasskommentierer sagen zu müssen. Also tun sie genau das, indem sie diese beleidigen und fordern von ihnen „entfolgt“ zu werden. Eine große Mehrheit der Fans und Interessierten, die dieses virale Video in ihrer Filter Bubble sehen konnten, fanden das Statement der beiden gut. Eine Minderheit war natürlich dagegen, willkommen in der politischen Internetkultur, und tat genau das gewünschte: Sie entfolgte den Entertainern, aber nicht ohne Häme und Protest zurück zu lassen.

Mein Sorge um die kommentierfreudigen Prominenten bezieht sich nicht auf ihren Wunsch sich zu äußern, denn das ist ihr Grundrecht so wie eines jeden interessierten Diskussionsteilnehmers. Mich stört das sie zu gut sind in ihrer emotionalen Ansprache, zu viele Menschen mitreißen in ihrem Stakkato der Unzufriedenheit. Und sie bringen auch diejenigen, die sich tatsächlich angesprochen fühlen gegen sich auf. Sie sind die Mediatoren der Gegenseite, die es vorher vielleicht gar nicht gab. Warum brauchen wir Gegenseiten in einer Gesellschaft? Ich behaupte eine der Hauptargumente für eine Abgrenzung von politischen Gruppierungen ist die positive Rückmeldung der Gleichgesinnten. Dies funktioniert gegen Flüchtlinge, genauso wie gegen Gegner von Flüchtlingen sowie gegen die Gegner von Gegnern der Flüchtlingsgegner… (ich glaube zu der letzten Gruppe zähle dann ich, das ist dann wohl Abgrenzung in der zweiten Potenz?!). Schließlich wurde der Konflikt angestachelt, Grenzen wurden gezogen und erst dann stellt ein guter Journalist die Frage, warum eigentlich Till Schweiger zur Flüchtlingskrise um ein Statement gebeten wurde. Die Antwort ist zu einfach: Promis bringen Quote. Dave Chapelle brachte in einem Comedy Bit dieses Phänomen treffend auf den Punkt.

Hören wir den Menschen zu, die wirklich eine Stimme haben. Fordern wir auch eine Meinung von denen ab, die eine Stimme haben sollten, nämlich Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft. Denn Politiker verstecken sich gerne hinter den Künstlern und ihren schönen Sätzen um selber keine Meinung abgeben zu müssen. Hillary Clinton war in ihrem erfolglosen Wahlkampf sehr versiert darin Zitate abzufeuern ohne genau zu erklären welche politischen Handlungen sie persönlich daraus ableitet. Sie hätte stattdessen klarer kommunizieren müssen wofür sie steht. Stattdessen hört der amerikanische Wähler was Jay-Z für politische Vorstellungen hat und das er Clinton unterstützt. Daraus sollen die Menschen einen politischen Standpunkt der Politikerin ableiten? Nein sollten sie nicht! Die meisten tun dies auch nicht und sind deshalb verunsichert was die Menschen in Machtpositionen eigentlich möchten. Dass die gesamte Hollywood Szene auf Seiten von Clinton war, schien die Wählerschaft nicht interessiert zu haben. Vielleicht erzeugte es sogar eine stärkere Aversion gegenüber Clinton, zumindest auf Seiten der großen Masse an Wählern, die Clinton misstrauisch gegenüber standen. Nach der Wahl wurde zumindest deutlich, dass die gesamte A-Promi Liga Amerikas nicht in der Lage ist eine Präsidentenwahl zu entscheiden.

Mich interessiert die Meinung eines Experten zum entsprechenden Thema, nicht die emotionale Ausschlachtung einer unqualifizierten Person des öffentlichen Lebens, die gerade das Rampenlicht zu Marketingzwecken gebrauchen kann. Das ist eine zynische Unterstellung, aber in einigen Fällen wahr. In anderen Fällen rate ich Künstlern folgendes: Eure Kunst ist eure Stimme! Nutzt diese um alles zum Ausdruck zu bringen was euch auf dem Herzen liegt. Und dann lasst die Intellektuellen die Probleme der Welt diskutieren, hört ihnen zu und macht neue Kunst daraus. So finden die politisch Interessierten die Zeit sich anhand qualifizierter Standpunkte eine Meinung zu bilden und können Eure Kunst wahrnehmen die ihnen Denkanstöße gibt. Und so kommen wir schlussendlich in einen positiven Teufelskreis, in denen ein Thema an Wichtigkeit gewinnt, aber nicht an Inhalt verliert.

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